Niklaus Schmid


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Band 1, Story 1
Ödland


Dass ich Blumen hasse, nein, so weit würde ich nicht gehen. Ich mach mir nur nichts aus ihnen, das ist alles. Manche riechen ganz gut, andere stinken. Ist fast so wie bei den Menschen. Menschen mag ich auch nicht besonders. Eine ganze Weile hatte ich auch nicht viel mit ihnen zu tun, ich meine, weder mit Menschen noch mit Blumen. Die einzige Pflanze, die ich von meinem Fenster aus sehen konnte, war ein Baum, war die Krone eines Ginkgos, und wenn die Früchte von diesem Ginkgo reif waren, dann stank das bis in meine Zelle.


Drei Jahre hatten sie mir wegen Unterschlagung aufgebrummt. Hätte ich das Geld herausgerückt, wäre ich womöglich mit Bewährung davongekommen.
"Na, Kranich", hatten sie mich immer wieder gefragt. "Wo ist die Beute?"
"Alles am Roulettetisch verspielt, ehrlich."
"Von wegen, Kranich! Wir wissen doch, dass Sie das Geld versteckt haben. Sobald Sie draußen sind und nur einen Cent mehr ausgeben, als Sie durch ehrliche Arbeit verdient haben können, stellen wir Ihnen diese Frage noch einmal, und dann sind Sie schneller wieder drin, als ein Knastbruder das Wort Resozialisierung aussprechen kann."
Jetzt war ich draußen
...


Band 1, Story 2
Falscher Fuffziger


Der Mann am Steuer des Kombis trug einen korrekten Anzug, sein Schnauzbart war gepflegt und sein Lächeln, das er jetzt im Rückspiegel überprüfte, sehr verbindlich. Von der Bundesstraße 9 bog er in die Einfahrt zur Tankstelle ab. Nachdem er seinen VW Passat geparkt hatte, schaute er, ob kein Streifenwagen in der Nähe war. Dann betrat er den Glaskasten der Tankstelle.
Am Regal mit den Zeitungen griff er nach einer Fernsehzeitschrift, bei der Gondel mit Geschenkartikeln hielt er sich etwas länger auf.


Zuerst begutachtete er ein Puzzle, das als Motiv eine Kirche zeigte, danach ein Kartenspiel, um sich schließlich für einen lila Plüschhasen zu entscheiden.
Der Kassiererin, die sich mit einem müden Nicken von einem anderen Kunden verabschiedete, streckte der Mann die beiden Teile entgegen und zeigte sein verbindliches Lächeln.
"So ganz ohne Geschenk sollte man nicht bei einem Kindergeburtstag auftauchen. Aber mit einem Stofftier liegt man bei einem zweijährigen Mädchen immer richtig, oder?"
Gelangweilt zuckte die Kassiererin mit den Achseln.
Ich sollte nicht soviel reden, ermahnte sich der Mann, schließlich ist das, was ich hier mache, völlig normal
...


Band 1, Story 3
Bunter Abend


Mein Freund Knut meint, wir mit unserem Verein verkörperten den Urkommunismus. Oder das Urchristentum, was gewissermaßen das gleiche sei. Er meint das, weil wir nämlich das Geld abgeschafft haben. Nicht in der Welt, da regiert es ja weiter, aber eben in unserem Verein.
Die Idee hatte Christof, obwohl das Tauschen, wie Sie wissen, eine alte Handelsform ist. Bodo, Waltraud, Dora, Guido und Frank schlossen sich an. Günter war das siebte Gründungsmitglied. Korrekt wäre es, ihn Dr. Günter Hohmann zu nennen. Aber wir duzen uns alle. Keine Titel, keine Dünkel, bei uns zählt nur das Talent. Und irgendetwas kann jeder gut.
Christof kennt sich bestens bei den Behörden aus. Der kann Briefe schreiben, da nehmen die Sachbearbeiter beim Lesen schon Haltung an.


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Bodo hat ein Dieselauto, viel Freizeit und fährt gern; für Taxidienste ist er jederzeit zu haben. Seine Frau Anke hütet gern Kinder. Guido ist ein geschickter Bastler, Waltraud kocht und backt mit Leidenschaft; ihr achtschichtiger Blätterteig ist ein Gedicht.
Franzosen würden bei ihr die Croissants kaufen, das heißt, wenn sie könnten. Geht aber nicht, weil wir ja nur tauschen. So schneidet Dora beispielsweise Frank die Haare und kriegt dafür aus dessen Garten biologisch angebautes Gemüse. Unsere Währung heißt Talent.
Werden die Gegenleistungen nicht auf der Stelle erbracht, kommen die Talentpunkte auf ein Konto. Komplizierte Satzungen gibt es in unserem Verein nicht. Wichtigste Regel ist, dass die Mitglieder ihr Konto nicht aufstocken, sondern möglichst schnell ausgleichen.
Bei den meisten Mitgliedern halten sich die Hilfeleistungen die Waage. Nur Guidos und mein Konto weichen von der Norm ab. Seins ist stark im Plus, meins tief im Minus
...
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Aktualisiert am 15. April 2024 | kontakt@niklaus-schmid.de

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